Offener Brief

Siehe Unten: Antwortschreiben von den Grünen !

 

Arbeitkreis Panafrikanismus München e.V.

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An

Fraktion Bündnis 90 /

Die Grünen im Bayerischen Landtag

Postanschrift:
Maximilianeum
81627 München

München, 04.03.2014

Offener Brief

 

zur merkwürdigen Äußerung des fraktionskulturpolitischen Sprechers der Grünen im Landtag, Herrn Sepp Dürr, in Bezug auf die Rückgabe von NS-Raubkunst an die rechtmäßigen Erben

 

Sehr geehrte Frau Bause,

Sehr geehrter Herr Hartmann,

 

der Arbeitskreis Panafrikanismus München hat mit Empörung die Äußerung von Herrn Dürr, kulturpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, zum Gesetzentwurf von Justizminister Winfried Bausback zur Stärkung der rechtmäßigen Erben von NS-Raubkunst zur Kenntnis genommen und bittet um eine klare Stellung Ihrer Fraktion, ob diese Äußerung der Fraktionssichtweise entspricht.

 

In einem Artikel der Süddeuschen Zeitung vom 27.02. 2014 ist Folgendes zu lesen: „Der Gesetzentwurf von Justizminister Winfried Bausback (CSU) zur Stärkung der rechtmäßigen Erben von NS-Raubkunst könnte nach Einschätzung der Grünen unangenehme Folgen für Bayerns Museen haben.“ Der Kulturpolitiker Sepp Dürr prophezeite am Donnerstag im Landtag, dass Bausbacks Gesetz künftig auch zur Grundlage für die Rückgabe von Werken werden könnte, die nicht die Nazis gestohlen hätten.

"Der Gesetzentwurf ist auch eine Lösung für Probleme, die man vielleicht gar nicht lösen wollte", sagte Dürr im Rechtsausschuss. Als Beispiel nannte er einen afrikanischen Schiffsbug im Münchner Völkerkundemuseum, der dem ursprünglichen Eigentümer während der Kolonialzeit geraubt worden sei. "Da fordert der Enkel seit vielen Jahren die Rückgabe", sagte Dürr.“

 

Wir erinnern Sie daran, dass auf Ihrem Flyer für Ihr kommendes Fachgespräch über Rassismus Folgendes deutlich dargestellt wurde: „...Nicht zuletzt die Sarrazin-Debatte oder aktuelle Diskussionen über eine vermeintliche „Armutszuwanderung“ zeigen, wie tief rassistische Motive und andere Vorstellungen von Ungleichwertigkeit im Mainstream unserer Gesellschaft verankert sind...“

 

Sehr geehrte Damen und Herren der Grünen Fraktion im Landtag,

anstatt den Gesetzentwurf des Justizministers zu kritisieren und für die Erweiterung des Gesetzes zu plädieren, da Raubkunst aus dem Kolonialismus wie immer mit Ignoranz unter den Teppich gekehrt wird, treibt bzw. fördert Ihr kulturpolitischer Sprecher durch eine solche Äußerung die gleiche Ungleichwertigkeit, welche Sie u.a. auf Ihrem Flyer anprangern.

 

Wir hoffen, dass diese Äußerung ein Irrtum einer Einzelperson und nicht die Einstellung der gesamten Grünen Fraktion im Landtag ist.

 

Kolonialismus und seine Folgen gehören nicht nur der Geschichte an, sondern sind sehr präsent in der Gegenwart. Die Rückgabe der Gebeine an Namibia heute am 4.3.2014 in Freiburg und morgen am 5.3.2014 in Berlin belegen es sehr deutlich. Siehe Pressemitteilung unten!

 

Wir bitten Sie diesbezüglich Stellung zu nehmen.

 

Hamado Dipama

Vorstandsvorsitzender des

Arbeitskreis Panafrikanismus München e.V.

Augsburgerstr.13, 80337 München
Tel. 089. 416159959/ 0176 61433577
sekretariat@panafrikanismusforum.net
www.panafrikanismusforum.net

 

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Presseerklärung des internationalen NGO-Bündnisses „Völkermord verjährt nicht!“

 

These bones are not enough!

 

Deutschland muss eine würdige Rückgabe von entführten Gebeinen an Namibia vornehmen und sich für den kolonialen Genozid von 1904-08 entschuldigen. Alle Gebeine kolonisierter Menschen müssen den Nachfahren zurückgegeben werden.

 

Anlässlich der am 5. März um 14:30 Uhr in der Charité anstehenden Rückgabe von weiteren 21 menschlichen Gebeinen, die zu rassistischen Forschungen aus der einstigen Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ nach Berlin verschleppt wurden, fordert das vom Zentralrat der Afrikanischen Gemeinde in Deutschland und weiteren 120 Organisationen unterstützte Bündnis „Völkermord verjährt nicht!“ die Bundesrepublik Deutschland zu einer Kehrtwende im Umgang mit den Nachfahren der Kolonisierten und zu einem klaren Zeichen gegen den anhalten Kolonialrassismus auf. 

130 Jahre nach der berüchtigten Berliner Afrika-Konferenz, auf der unter den europäischen Kolonialmächten über die Aufteilung Afrikas beraten wurde, 100 Jahre nach dem Zerfall des Deutschen Kolonialreichs darf sich Deutschland der historisch-politischen Verantwortung für seine in Afrika, Asien und Ozeanien begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und für den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts nicht länger entziehen.

Das Bündnis erinnert die Bundestagsmehrheit aus Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und SPD sowie Außenminister Steinmeier an ihre im März 2012 gestellten Anträge auf eine offizielle Anerkennung und Entschuldigung für den Genozid an den Nama und Herero und fordert sie dazu auf, die bevorstehende Übergabe der Kolonialopfer zum Anlass zu nehmen, die Menschen in Namibia nun in aller Form um Vergebung zu bitten.

 Der in Berlin lebende Herero Israel Kaunatjike sagt: „Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung aus Angst vor Protesten und berechtigten Reparationsforderungen weder die Nachfahren der Opfer des Genozids noch die breite Öffentlichkeit in die Charité eingeladen hat. Erst vor wenigen Tagen habe ich von der geplanten Übergabe erfahren und bis heute habe ich keine Zusicherung erhalten, überhaupt teilnehmen zu dürfen.“

„Wir sind uns sicher,“ ergänzt der Tansanier Mnyaka Sururu Mboro von Berlin Postkolonial, „dass in Berlins Sammlungen auch zahlreiche Gebeine und heilige Objekte tansanischer Herkunft zu finden sind – selbst wenn die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bisher nicht zu einem diesbezüglichen Gespräch bereit war. Die Arroganz der Staatlichen Museen zu Berlin steht im krassen Widerspruch zum ICOM Code of Ethics von 2004, der die Museen sogar verpflichtet, Rückgabeverhandlungen selbst zu initiieren.“

Moctar Kamara, Vorsitzender des Zentralrats der Afrikanischen Gemeinde in Deutschland, resümiert: „2001 hat sich die Bundesrepublik in Durban vor der UN zum ‚ehrenden Andenken’ für die Opfer von Kolonialismus und Völkermord verpflichtet. Seitdem ist buchstäblich nichts geschehen, während die Würde von Menschen afrikanischer Herkunft bis heute massiv verletzt wird. Wir erwarten, dass Deutschland nun endlich die Verantwortung für seine Kolonialverbrechen übernimmt und die Nachfahren der Opfer aufrichtig um Entschuldigung bittet.“

Infos: www.restitution-namibia.de

Kontakt: n.roeschert@africavenir.org

Israel Kaunatjike 01731035605 |Mnyaka S. Mboro 01601174528 |Moctar Kamara 01721797958

Pressekonferenz: 5.3.2014, 12:30 Uhr, Seminar für Afrikawissenschaften der HU Berlin, Invalidenstraße 118, 4. Etage, Raum 410 ein (Zugang über Schlegelstraße 26 möglich)

Übergabe der Gebeine: 5.3.2014, 14:30 Uhr, Anatomie-Hörsaal der Berliner Charité, Philippstraße 12

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Christian Kopp

Berlin Postkolonial e.V.

Projektbüro Kameruner Str. 1
13351 Berlin
Fon: 030 400 590 48
Mobil: 01799 100 976
Fax: 030 417 23583
www.berlin-postkolonial.de

 

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Antwortschreiben

 

Bayerischer Landtag
Abgeordneter
Dr. Sepp Dürr
Bündnis 90/Die Grünen
Kultur- und rechtspolitischer Sprecher
Maximilianeum
81627 München
sepp.duerr@gruene-fraktion-bayern.de

 

An

Herr Hamado Dipama
Arbeitskreis Panafrikanismus München e.V.
Augsburgerstr. 13
80337 München

12. März 2014

Sehr geehrter Herr Dipama,

vielen Dank für Ihren Offenen Brief vom 4. März 2014. Damit geben Sie mir Gelegenheit, Ihnen die Position unserer Fraktion zu erläutern. Leider haben Sie Ihren Brief und Ihre Empörung bereits veröffentlicht. Das ist schade, denn Ihre Verärgerung beruht lediglich auf einem Missverständnis und nicht etwa darauf, dass Sie und unsere Fraktion unterschiedliche Auffassungen in der Sache hätten. So wie Sie die in der Süddeutschen Zeitung vom 27. Februar 2014 zitierte Äußerung von mir interpretieren, ist sie nicht gefallen und so ist auch nicht ihre Intention.

Bereits nach der Sitzung des Ausschusses für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen haben wir die Haltung unserer Fraktion in unserem Newsletter und auf unserer Homepage dargestellt. Dort heißt es:

"Fall Gurlitt: Alibi-Gesetzentwurf greift nicht - wichtig ist Provenienzforschung!

Am Donnerstag hat Justizminister Bausback auf unseren Antrag im Rechtsausschuss über seinen Entwurf für ein Kulturgut-Rückgewähr-Gesetz berichtet. Mit diesem Gesetz, das Bayern in den Bundesrat eingebracht hat, soll es in einigen Fällen nicht mehr möglich sein, dass jemand, der Kunstwerke besitzt, die von den Nationalsozialisten ihren rechtmäßigen EigentümerInnen geraubt worden waren, sich darauf berufen kann, dass nun Verjährung eingetreten sei.
Unser rechtspolitischer Sprecher Dr. Sepp Dürr stellt jedoch in Frage, dass diese Regelung überhaupt wirksam greifen werde. Im Fall Gurlitt wäre sie ohnehin nicht relevant, da sich dieser nicht auf Verjährung beruft. Aber auch darüber hinaus wird es wegen der weiteren Voraussetzungen wohl nicht zu vielen Anwendungsfällen kommen - möglicherweise sogar zu gar keinen. Darum sei es nun viel wichtiger, die Provenienzforschung endlich ganz erheblich auszubauen. "Der Staat und seine Museen müssen von sich aus aktiv erforschen, wem die Kunstwerke gehören, die sie in ihrem Besitz haben", so Dürr.
Eventuell wirke sich das vermeintliche Gurlitt-Gesetz aber auf ganz andere Fälle aus, die die Staatsregierung eigentlich gar nicht im Blick hatte. So befindet sich im Besitz des staatlichen Völkerkundemuseums in München ein geschnitzter Schiffsschnabel (Tangué), der im 19. Jahrhundert von deutschen Kolonialisten einem König aus Kamerun geraubt wurde. Dessen Enkel fordert nun die Rückgabe. Aber auch für diese weiteren Kunstraubfälle ohne Zusammenhang mit den Verbrechen des Nationalsozialismus bedürfte es keiner Rechtsänderung, da die bayerische Staatsregierung auch ohne dieses angestrebte Gesetz das Kunstwerk den Erben des rechtmäßigen Eigentümers zurück geben könnte. Der Gesetzentwurf soll somit wohl von der Blamage der Staatsregierung im Fall Gurlitt ablenken. Er reicht aber nicht aus!"

http://www.gruene-fraktion-bayern.de/themen/innere-sicherheit-recht-und-justiz/justiz/fall-gurlitt-alibi-gesetzentwurf-greift-nicht-wicht

In diesem Text wird somit deutlich, dass es uns genau so wie Ihnen darum geht, "den Gesetzentwurf des Justizministers zu kritisieren" und uns dagegen zu wenden, dass "Raubkunst aus dem Kolonialismus wie immer mit Ignoranz unter den Teppich gekehrt wird." Eben darum habe ich ja den geschnitzten Schiffsschnabel (Tangué) angesprochen. In den Begründungen des Gesetzentwurfes der Staatsregierung und in den Äußerungen des Staatsministers Bausback wird dagegen deutlich, dass sich dieser ausschließlich um Kunstwerke, die von Nationalsozialisten geraubt wurden, kümmern wollte. Die Verbrechen des Kolonialismus hatte und hat die Staatsregierung nicht im Blick. Dafür ist dieses Kunstwerk leider ein treffendes Beispiel: Der Schiffsschnabel befindet sich im staatlichen Völkerkundemuseum, somit im Besitz des Freistaates. Die Staatsregierung hätte also schon längst dafür sorgen können, dass das Kunstwerk den rechtmäßigen Erbinnen und Erben der rechtmäßigen Eigentümer zurück gegeben wird. Dafür müsste nicht einmal das BGB geändert werden.

Ähnliches gilt für viele weitere Fälle so genannter Raubkunst. Unsere Fraktion fordert seit langem und wiederholt, dass die Staatsregierung sowohl für ihren eigenen Bereich als auch für den der kommunalen Museen und für Kultureinrichtungen von Stiftungen u.ä. Institutionen, die Provenienzforschung ganz deutlich ausweitet. Es ist wichtig, dass untersucht wird, welche Kunstwerke sich im öffentlichen Besitz befinden, die unrechtmäßig erworben wurden. In den Fällen, in denen die Ansprüche geklärt sind, müssen die Kunstwerke den rechtmäßigen Eigentümerinnen und Eigentümern zurückgegeben werden, bzw. an deren ErbInnen herausgegeben werden. Dies muss sowohl für Kunstwerke gelten, die während der NS-Diktatur geraubt wurden, als auch für solche, die zu anderen Zeiten unrechtmäßig erworben wurden - also etwa die von Kolonialisten geraubten Kunstwerke.

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie auch diese Richtigstellung so veröffentlichen könnten, wie Ihren Offenen Brief und freue mich, da nun dieses Missverständnis aufgeklärt werden konnte, auf eine künftig gute Zusammenarbeit mit Ihnen!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Sepp Dürr
Kulturpolitischer Sprecher