Völkermord verjährt nicht!

Liebe Freunde,

 

der Arbeitskreis Panafrikanismus München bittet Euch diese Resolution zu unterstützen und zahlreich am 22.3. vor dem Bundestag in Berlin zu erscheinen.

 

Solidarischen Grüßen

AKPM e.V.

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Resolution

Völkermord verjährt nicht!


Aufruf an die Mitglieder des Deutschen Bundestages zur Anerkennung und Wiedergutmachung des Völkermordes in der ehemaligen Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“, der heutigen Republik Namibia


Wir – die unterzeichnenden Schwarzen und weißen Initiativen, Organisationen und Institutionen der Zivilgesellschaft – begrüßen das mit der Namibia-Reise des Afrikabeauftragten des Auswärtigen Amtes Anfang Februar 2012 verbundene Einlenken der Deutschen Bundesregierung und die dabei erfolgte Aufnahme von direkten Gesprächen mit Verbänden der Opfer des deutschen Völkermordes von 1904-08. Wir betrachten diese überfällige Bereitschaft zum Dialog mit den Vertretungen der unmittelbar betroffenen Völker als einen ersten unverzichtbaren Schritt auf dem Weg zur Versöhnung zwischen den Menschen in Namibia und Deutschland.


Mit dieser Resolution bringen wir unser Mitgefühl für das den namibischen Völkern, insbesondere den Herero, Nama, Damara und San zugefügte Leid zum Ausdruck. Wir sind dankbar für ihre großherzige Bereitschaft zum Gespräch mit den Nachfahren der Täter und erklären uns solidarisch mit ihrem Einsatz für „restorative justice“ – für eine
Gerechtigkeit, die nur aus Deutschlands aufrichtiger Bereitschaft zur Wiedergutmachung erwachsen kann. Wir unterstützen ihr Bemühen um eine offizielle Anerkennung des Völkermordes durch den Deutschen Bundestag und die Bundesregierung. Ausdrücklich stellen wir uns hinter die Forderung der Opferverbände nach ideeller und auch materieller Entschädigung für das ihren Völkern widerfahrene kolonial-rassistische Unrecht sowie für ihre gravierenden Verluste an Hab und Gut.


Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages fordern wir auf,

  • jeder weiteren Leugnung des nach den Kriterien der UNVölkermordkonvention

von 1948 eindeutig als Genozid zu bewertenden
Völkermordes in der ehemaligen Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“
entgegenzuwirken und sich – wie im Falle des Genozids an den Juden – für
seine rückwirkende Anerkennung durch Deutschland einzusetzen;

  • die Bundesregierung zu bewegen, den deutschen Selbstverpflichtungen bei

der UN-Weltkonferenz gegen Rassismus in Durban 2001 nachzukommen und
die Nachfahren der Opfer des deutschen Völkermordes offiziell und
unmissverständlich um Entschuldigung für den an ihren Vorfahren verübten
Völkermord und die damit einhergehenden Verbrechen gegen die Menschheit
zu bitten;

  • den intensiven und regelmäßigen Dialog über die mit einer Versöhnung

zusammenhängenden Fragen – wie u.a. über die Aufarbeitung und
Wiedergutmachung des von Deutschland zu verantwortenden kolonialrassistischen
Unrechts und seiner bis heute nicht überwundenen gravierenden
Folgen für die Nachfahren der Opfer – mit dem Parlament der Republik
Namibia und den Opferverbänden aufzunehmen und auf den Beschluss
konkreter Maßnahmen ausgerichtet zu führen

  • die Einrichtung einer Bundesstiftung zur kritischen Aufarbeitung des Genozids

und des deutschen Kolonialismus insgesamt sowie zur Förderung
postkolonialer Erinnerungskulturen zu beschließen und diese zu beauftragen,
u.a.

    • die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Genozid und seine Folgen im Rahmen namibisch-deutscher Forschungsprojekte zu fördern;
    • die Verbreitung des Wissens über Kolonialismus, Rassismus und ihre Folgen in der deutschen Öffentlichkeit und in den Schulen zu sichern;
    • Austauschprojekte, die zur Versöhnung zwischen den Menschen beider Länder und zur Bekämpfung von Rassismus beitragen, zu fördern;
    • die Dekolonisierung des öffentlichen Raums in Deutschland zu unterstützen (Stopp der fortgesetzten Ehrung für Kolonialverbrecher mit Straßennamen und Denkmälern, stattdessen Würdigung von Persönlichkeiten des afrikanischen Widerstands);
  • die Bundesregierung zur konstruktiven Fortführung der aufgenommenen

Gespräche mit der namibischen Regierung und mit den Opferverbänden zu
veranlassen;

  • die Bundesregierung zu veranlassen, im Dialog mit der namibischen

Regierung und mit den Opferverbänden angemessene materielle und
strukturelle Wiedergutmachungsleistungen für die gravierenden
ökonomischen Verluste der betroffenen Völker an Land, Vieh und anderem
Eigentum zu vereinbaren;

  • die Bundesregierung zu veranlassen, die vereinbarten Wiedergutmachungsleistungen bedingungslos – d.h. ohne Einmischung in die freien Entscheidungen des namibischen Staates und der Opferverbände über deren Verwendung – zu erbringen.


Berlin, den 07.03.2012

 

AfricAvenir International
Afrika-Rat Berlin-Brandenburg
Afrika-Rat Nord
AFROTAK TV cyberNomads
Arbeitskreis Panafrikanismus München (AKPM)
Artefakte//anti-humboldt
Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag (BER)
Berlin Postkolonial
Deutsch-Afrikanische Gesellschaft Berlin (DAFRIG)
Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD-Bund)
Solidaritätsdienst International (SODI)


Initiativen, Organisationen und Institutionen, die ebenfalls unterzeichnen wollen, wenden sich bitte an info@berlin-postkolonial.de

 

Weitere Unterzeichner und Infos: www.restitution-namibia.de


Kontaktpersonen: Sharon Dodua Otoo: sharonotoo@isdonline.de & Christian Kopp: buero@berlin-postkolonial.de

Telefon: 01799100976


Hintergrund der Resolution:


Am 30. September 2011 wurden in der Berliner Charité die Gebeine von 20 Herero und Nama – Männer, Frauen und Kinder, die vor mehr als 100 Jahren von weißen Deutschen ermordet wurden – an ihre aus Namibia angereisten Nachfahren übergeben. Es war das erste Mal, dass sich eine deutsche Institution zu einer solchen Herausgabe bereit erklärte. Noch lagern hierzulande Tausende von Gebeinen, die während der Kolonialzeit nach Deutschland verschifft und für menschenverachtende, rassistische und pseudowissenschaftliche Forschungen missbraucht wurden, welche die Gleichwertigkeit von Afrikanerinnen und Afrikanern mit weißen Frauen und Männern negierten.

Wie die meisten der so geraubten Gebeine stammen die im Herbst 2011 zurückgegebenen sterblichen Überreste von Menschen, die sich gegen die Kolonialherrschaft zur Wehr gesetzt haben. Weil sie Widerstand leisteten gegen Unterwerfung, Vergewaltigung, Enteignung und Vertreibung wurde ihnen mit Tausenden weiterer Herero und Nama in den Konzentrationslagern der Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ das Leben genommen. Viele Menschen wurden zum Verdursten in die Wüste getrieben, erschossen oder erhängt. Den wenigen Überlebenden wurde ihr Hab und Gut genommen, ihr Land und ihr Vieh wurden konfisziert. In der seriösen historischen Forschung herrscht heute Konsens darüber, dass das Vorgehen der „Kaiserlichen Schutztruppe“ als Genozid zu bezeichnen ist, dem der Vorsatz der Vernichtung zugrunde lag.


Die Deutsche Bundesregierung entzieht sich ihrer historischen Verantwortung als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs. Zwar räumt sie eine nicht näher bestimmte „historische und moralische Verantwortung gegenüber Namibia“ ein. Bislang ist sie jedoch weder bereit, den Genozid offiziell einzugestehen, noch
willens, die Nachfahren der Opfer in offizieller Form um Entschuldigung zu bitten. Mit dem Verweis auf eine „intensive“ deutsch-namibische Entwicklungszusammenarbeit (Umfang 2010: 15,80 Euro pro Kopf der namibischen Bevölkerung) wurden bisher jegliche Forderungen nach ideeller und materieller Wiedergutmachung („restorative justice“) für die betroffenen Völker zurückgewiesen. Bis vor kurzem war die Bundesregierung nicht einmal zu direkten Gesprächen mit den Nachfahren der Opfer bereit.

 

Zum Eklat führte diese verantwortungslose Haltung im Herbst 2011 bei der Übergabezeremonie für die namibischen Gebeine in der Berliner Charité. Nicht nur schob das Auswärtige Amt die Durchführung der Übergabe nahezu komplett an das Universitätsklinikum ab. Als „Gast“ war es bei der bewegenden Zeremonie auch nur mit der sichtlich überforderten Staatsministerin des Auswärtigen Amtes, Cornelia Pieper (FDP), vertreten. Selbst im Angesicht der Opfer des deutschen Kolonialismus kamen ihr das Wort „Völkermord“ und die Bitte um Vergebung nicht über die Lippen. Ohne den Reden der namibischen Gäste zuzuhören, verließ sie unmittelbar nach ihrem Beitrag den Saal.

 

Schon während der Veranstaltung wurde deutlich, dass die an der Zeremonie teilnehmende Öffentlichkeit nicht bereit sein würde, das moralisch-ethische Versagen der Staatsministerin des Auswärtigen Amtes unwidersprochen hinzunehmen. Vor allem Vertreterinnen und Vertreter der Afrikanischen Diaspora und Schwarze Deutsche reagierten auf die Rede mit Zwischenrufen und stummem Protest. Nach den bewegenden Worten des namibischen Kulturministers Kazenambo Kazenambo sowie den Reden hochrangiger Namaund Hererovertreter bat abschließend auch die Vertreterin eines Bündnisses verschiedener Schwarzer und weißer Nichtregierungsorganisationen um Entschuldigung für den von Deutschland verübten Genozid – und für das beschämende Verhalten des Auswärtigen Amtes. Wegen seines Einsatzes für einen offenen Dialog zwischen der namibischen Delegation und der deutschen Politik ist das zivilgesellschaftliche Aktionsbündnis von Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes in der Folge mehrfach – u.a. im Bundestag – öffentlich attackiert, zurechtgewiesen und diffamiert worden.

 

Zuletzt hat die Bundesregierung ihre starre Haltung verlassen müssen.
Angesichts des Engagements der namibischen Regierung, der Opferverbände der Herero und Nama, des Aktionsbündnisses und Abgeordneter aller Oppositionsparteien in Deutschland wurde Anfang Februar 2012 der Afrikabeauftragte des Auswärtigen Amtes, Walter Lindner, nach Namibia entsandt. Er entschuldigte sich dort für das Verhalten der Bundesregierung anlässlich der Rückgabe der Gebeine im Herbst 2011. Da er dabei auch mit den Opferverbänden der Herero und Nama zu Gesprächen zusammenkam, wurde eine ihrer
Hauptforderungen – die nach direkter Beteiligung am namibischdeutschen Dialog über den Völkermord und seine Wiedergutmachung – erstmals respektiert.